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Apr 17 2019 Der Abgrund der Farbe
Tasten im Paradox von Rauem und Glattem. Körner vereinzelt. Findlinge aus zäher Kälte aufgestöbert, und die Haut faltet wohlwollend sie ein. Träge das Berührte sich ihr widersetzend. Er legt seine Hand ganz auf, um die Unruhe zu spüren, sie ihm abzunehmen. Es scheint sich wegschieben zu wollen und er verweilt einen Moment. Befragt sein Spüren, befragt ein Gespürtwerden, um es letztlich einem Bild zuschreiben zu können.
Jan 8 2019 Zerrissenes Empfinden, Empfinden der Zerrissenheit
Annäherungen eines Blinden an das Daniel Libeskind-Gebäude des Jüdischen Museums in Berlin
Gebäude haben ihren Ruf, worin nicht allein ihre Geschichte sich spiegeln will, einen Ruf, der zudem nicht selten einen Mythos transportiert, dessen Herkunft aber, unschwer verfolgbar, über Entmythisierung manches Mal weit hinausgehen muss. Was einen solchen Mythos betrifft, brachte die Beschreibung des Neubaus des Jüdischen Museums in Berlin von Daniel Libeskind durch einen Journalisten Bilder hervor, die sich im Kopf des blinden Autors regelrecht eingefressen hatten, die zu einem allgemeinen Urteil sich in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends verfestigt hatten und bis vor kurzem auf ihre Ent-Mythisierung in seinem Kopf geharrt hatten. Die These des Journalisten damals war, der Libeskind-Bau stelle einen zerbrochenen Davidstern dar. Ein Tastmodell in Händen suchte der brave Blinde nach vertikalen zerbrochenen Linien, in denen er dieses Bild sich bestätigen lassen wollte und wurde zutiefst enttäuscht, da derartige vertikale Auswüchse natürlich nicht zu finden waren und das grandiose Gebäude sich im Kopf des Blinden vollkommen neu zusammensetzen musste. Aber fangen wir nochmals von vorne an und nähern uns mit dem blinden Autor und seiner Begleiterin Monika Flores, Ausstellungskuratorin im Jüdischen Museum, dem Gebäude zu Fuß an, oder genauer: suchen wir wahrzunehmen, wie uns das Gebäude Schritt um Schritt näherkommt, hören wir, spüren wir zuallererst sein Näherkommen, das unsere Bewegungen nur hervorruft, sie evoziert.
Nov 23 2018 Der Blues der Straße als Punkrock
Die Bilder des Miron Zownir in der Berliner Brotfabrik
Was ist der Soundtrack eines Bildes, was ist sein Geruch, was strahlt es an einer, letztlich unfassbaren, Atmosphäre aus - etwas, worin sich auch ein Blinder aufhalten kann, bildlos verstehend.
Jul 31 2018 Bild und Berührung oder:
von der Fotografie als Bildbildung eines Erblindeten
Der Erblindete hat nicht zu wenig Bilder, er hat viel zu viele. Nichts an Bildern aber gibt es, was ihn von seinen blinden Bildern befreite, von einer inneren Bilderflut, von Bildern die ihre Referenz nur in seinem Inneren haben, die kein Außen kennen, worin sie sich würden wiederfinden lassen, um sich und die anderen Bilder differenzieren und bannen zu können.
Mai 24 2018 Das Abstrakte im Nebel
Michaela Englert führt an Tastmodelle von Kunstwerken von Jeanne Mammen und Werner Heldt in der Berlinischen Galerie heran
Das Material, der Malgrund, Kreide auf einer gefundenen Holztür, verkleinert sie zu einem Tastmodell, vor dem der Blinde jetzt steht. Die Kreide in Schwelldruck übersetzt, die Zweidimensionalität ins Reliefartige, ins Dreidimensionale gebracht.
Apr 13 2018 Der Erblindete und das Gemälde
Zu Simone Kills Malerei (Teil 1)
Malerei als Rückgriff auf das Material, die spezifische materiale Struktur, die in der Fotografie sich in eine Materialität des Fotopapiers zurückzieht, auf dem die Berührung Fingerabdrücke hinterlässt, den Finger, seine Haut dabei klebrig festhaltend. Das Gemälde wiederum zieht sich scheinbar in den Malgrund zurück, hinterlässt dabei aber spürbare Rückstände, Spuren, teils ein wenig fettige aber glatte, die vom Malmittel herrühren, teils körnige, die eher auf Pigmentrückstände schließen lassen, teilweise aber auch Verdickungen, worin der Malprozess seine Spuren hinterlassen hat, etwa in Übermalungen und verschiedenen Schichten des Auftrages. „Und diese dicke Linie da“, fragt der tastende Autor. „Das ist der Rest eines Handlösungsversuchs“, so die Künstlerin.
Apr 12 2018 Haltloser Halt oder: Im Widerspruch zwischen Konkretem und seiner Abstraktion
Zur Malerei von Simone Kill (Teil 2)
Malend sich im Malprozess beobachten, keine Objekte, Gegenstände oder Modelle als Gegebenheiten einfach nur aufgreifen, sie imitieren, sie wiedergeben, sie reproduzieren: das Ding wie die Figur, wie ihre Beziehung zueinander, unterstehen keinem Zweck. Außerhalb des Bildes haben sie keinen Kontext, der in das Bild hineinreichte. Realismus, Gegenständlichkeit oder das Konkrete sind für Simone Kill Möglichkeiten einer Malerei, die nur eines in ihrer Arbeit gelten lassen will, das Bild, ihr Bild. Das Konkrete ist eine Ausdrucksmöglichkeit, die die Malerin sich offen hält, aber auch nicht mehr als das.
Apr 11 2018 Das Erhören des Bildes
Zur Malerei von Simone Kill (Teil 3)
„Ich habe einen geeigneten Ansatz gesucht, um meine Figuren weiterzuentwickeln. Vorlagen sollten her, um deren Flächen zu studieren. Vorlagen, weil ich das intuitive Figurenfinden bewusst einschränken wollte, um in der Form weiterzukommen. Ich wollte mich immer wieder auf eine bestimmte Position der Figur, ihre Haltung, ihren Ausdruck beziehen, um formal ihre Möglichkeiten zu untersuchen“, so die Malerin Simone Kill in einem Gespräch mit dem Autor dieses Buches und seiner Assistentin.
Dez 27 2017 Blick und Haut
Manuela Gander und Christine Rieger führen durch die Sonderausstellung China und Ägypten im Neuen Museum Berlin
Geht man von der Berührung als einem für die Blinden zentralen Sinnesorgan aus, so hinterlässt der erste Blick auf die Kultur des alten Ägypten zunächst einen sprachlich vermittelten Eindruck der Unnahbarkeit , einen in jeder Hinsicht körperlich nicht erfahrbaren Eindruck für die, denen Bilder von dieser sehr am Monumentalen orientierten Kultur nur in Erzählungen zukommen. In Zeiten der Barrierefreiheit sind Blinde wie Sehbehinderte mit einer Kultur konfrontiert, deren Markenzeichen man als die bewusst aufgerichtete und immer weiter vervollkommnete Barriere bezeichnen könnte. Das wäre in der kolossalen Steinbauweise genauso wiederzuerkennen, wie in einer in Gänze auf das Königtum fixierten Kultur.
Nov 21 2017 Swimmers oder: Der weibliche Blick nach Innen
Zu einer Ausstellung der amerikanischen Bildhauerin Carole A. Feuerman ausgerichtet vom European Cultural Centre in Venedig 2017
Der Ort gut gewählt: außerhalb der Biennale, außerhalb der Räume, der Kieswege, eine Wiese, hörbar davor das Wasser, hörbar die Boote, die es durchpflügen, hörbar die traghetti und ihr Schrappen an den Plattformen, wenn sie beim Anlegen manövrieren, der eine Motor dabei Gas gebend, dann der andere, um das Boot in Richtung der hölzernen Landeplattformen zu bringen. Der Promenade am Kanal entlang das Schwappen des Meeres in der Lagune zu hören, das die Boote in Wellen an das Ufer treibt. Die Ohren bekommen so ein Objekt einer Ausstellung vorgestellt, das in realer Gestalt gar nicht auftaucht: die amerikanische Bildhauerin Carole A. Feuerman lässt das Wasser als Imagination in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen, spielt mit ihm in ihrer Einbildungskraft.