Vorherige Seite

Seite 9 von 11

Aug 1 2009 Der Befall oder vom Verlust der Tiefe
Versuch über Arbeiten von Janet Cardiff & George Bures Miller
Herausgelöst aus Bewegung und Herkunft hielt Geräusche er sich wie Wesen, in deren Kreisen um Weg und Wollen er verhandelte. Keine Äußerung von etwas, das über sie hinausginge waren sie ihm, und was an ihnen erkannt, sprach nur von seiner eigenen Wiederholung. Freilich wollte alles, was da zu hören, seinen Bestand in Zeit versichert wissen, dabei aber von Wirkung zu Ursache werdend, weil bildlos eben alle Abstammung verschwunden und das garantierte ihnen seine Erblindung. Alle Tiefe austrocknend - und tatkräftig half das Gedächtnis bei solch erbarmungslosem Realismus mit - hieß er die Geräusche alles was vermeintlich hinter ihnen abstreifen; hieß sie sich entblößen; hieß sie die Fiktion des Sehens verraten, das da glauben machen will, hinter der Fassade gehe es hinein ins Bewohnbare. Alles Mögliche vom Geräusch aufgerufen und einmal erschienen noch anwesend, wenn es längst verschwunden. Von keinem Bild mehr vom Körper fern gehalten, wusste er es im Fleisch, versuchte an ihm sein Gedächtnis um es zu verlieren und um es - und ganz leibhaftig - überhaupt erst zu gewinnen.
Feb 22 2009 Leibhaftige Seelen oder der Vampir in meinem Blut
Variationen gehörten Sehens zu So finster die Nacht von Tomas Alfredson
Nachtzeit des Anderen rote Spur. Körper ohne Gewicht und doch über alle Körper hinaus. Vielleicht auch das, was vormals Seele genannt. Dass sie ja gar nichts wiege wird der sagen der sie aufhebt, im Durchgang in der Schwelle, und wird es sagen bevor sie ihn anspringt bevor sie ihn reißt. Nacht sagt Sie. Alles schwarz und dass darin Schnee falle. Gefrorene Bewegung vor dem Ende von Zeit. Bild des Filmbilds überhaupt. „Schrei doch, schrei wie ein Schwein.“ Die Stimme eines Kindes in einem Raum, der von ihr leergeräumt. Nur sie allein hat darin Platz. Nichts zu hören sonst und was zu sehen hört man erst später. „Schrei doch, los schrei.“
Dez 15 2008 Offenbarung und Apokalypse oder die Musik am Ende der Geschichte
Olivier Messiaen und Karlheinz Stockhausen im Hangar 2 des Flughafen Tempelhof - musikfest berlin 2008
Jeder Ton ein Akkord. Schritt um Schritt gesetzt ohne dass ein Takt daraus würde. In gleich bleibender Dynamik was erscheint auf der Stelle gehalten. Nichts kommt näher. Zwielichtiges Gestrahl chromatischer Bewegung in Trompeten und Posaunen, kündend vom Unfassbaren und dass das schon da. Als ihre eigenen Metamorphosen Akkorde von Zäsuren in Abschnitten gehalten, in solchen wiederholt, in solchen verändert. Jeweils eine Kadenz an ihrem Ende und das ganz wörtlich: Fall ins Tonale, Fall in die Harmonie, Fall der auflöst der herauslöst der auffängt, Furchtbares und Unheimliches abstreifend, das an diesen Klängen klebt.
Okt 16 2008 Die Krise das Selbst der Widerstand oder von der alltäglichen Infragestellung der Macht
Ein Versuch Cluster von Detlef Hartmann und Gerald Geppert vor dem Hintergrund der Finanzkrise zu lesen
Als gäbe es einen guten Kapitalismus den zu verteidigen es jetzt gälte. Vor den Alltag der Ausbeutung Schuldige gezerrt und ins Rampenlicht dass dessen Normalität dahinter verschwinde. Da hängen Kapitalisten dem Kapital eine hässliche Fratze an als hätten sie nichts mit ihm zu tun. In der Schwere schicksalhafter Notwendigkeit Milliardenstützungen inszeniert und als Gipfel des Hohns vom Bundespräsidenten zu Spenden gegen den Hunger in Trikont aufgerufen, den er als IWF-Präsident vorher doch selbst mitverschuldet. In Verstaatlichungen parallel dazu erneut dasselbe Boot vorgegaukelt, in welchem angeblich die zusammensitzen die ausgepresst und die die ihre Auspressung besorgen.
Sep 11 2008 Vom Zufall oder der Schnitt im Fluss
Wege zu den Portraits der Elvira Hufschmid bei 48 Stunden Neukölln 2008
Ein umgekipptes Auto. Ein liegender Mann mit Bart. Aber wie sie denn hereingekommen seien, fragt sie, und ob der Assistent nicht vor der Tür gestanden sei. Da sei eine Liste gewesen auf der ihre Namen allerdings nicht zu finden. Sich vom Ufer her genähert. Sandiger Weg daneben Kopfsteinpflaster. Ab und an von Autoreifen ledern ins Hörbare gespritzt. Quer vor ihnen ein Geräuschband aus Motorenlärm Schritt um Schritt herangezogen. Zerfällt beim Näherkommen in seine Bestandteile. Als akustischer Zeittakt eine Kreuzung ausgebremst. Mit dem Parallelverkehr drüber. Aber auch der verschwindet auf den Stufen nach unten. Seitlich von vorn gedämpfte Motorreste hinter Brückengeländer. Rückstände gemauerten Verkehrs.
Jun 2 2008 Der Hauch und die Luft dazwischen oder von der Anwesenheit des Nicht-Orts
zu Ton von Sabrina Hölzer, Liza Lim und Volker März uraufgeführt bei Maerzmusik 2008 in der Elisabethkirche Invalidenstrasse
Drei Zeiten eines Ortes… Geräusche auszüngelndes Selbst in begriffslosem Auswurf. Das klebt da dran und saugt Sich heraus. Schrittweise Vorsprünge herausgeplatzt. Vielleicht Gesims. Vielleicht Balkone. Verschluckt dann oder nach hinten gezogen. Im nächsten Schlag den Hörriss schon wieder übersprungen. An Fassaden vom Stock hochgetriebene Ansprünge nur kurz bevor von Motoren Bewegung und Höhe verschwemmt. Das erste Mal war es Nacht. Man hatte ihn mitgenommen hatte ihn begleitet hatte ihn hergebracht und er hatte die begleitet mit denen er gekommen. Nacht, damals schon diese Undurchdringlichkeit wenn auch von Farbe noch gesprochen.
Mär 31 2008 Unter Nacktem oder vom tiefelosen Schwund der Figur
Zu Rosmarie Burger Blaue Verschattung 1998 Acryl auf Stoff
Alle Linie in Farbe zurückgenommen. Konturen nur noch Hautabschnitt und auch nur so groß wie vom Körper zugelassen. Was Farbe von sich sprechen lässt in einer Monochromie verschwunden die alle Monochromie übersteigt. Im Rückzug von Linien und Konturen der Ausbleichung des Schattens im Schwund jegliche Differenz die Farbe gänzlich entblößt. Sehrest mit ausgerissenen Gesichtsfetzen die in keinem Namen mehr zur Ruhe kommen – alles überdeckende Farbe treibt sie aus. Blindheit als Erlösung von Erblindung. Farbe als Zustand vielleicht an Farbe erinnernd - mit Sicherheit aber nichts mit ihr gemein. Sehen in ihm zu sehen worin alle Sichtbarkeit verschwunden, allen hereinstürzenden Bildern gleichermaßen Halt. Gleichgültige Totalität keinem Sprechen Einhalt gebietend kein Ende dem Erzählen. Worte wörtlich genommen bildloser Taumel buchstäblich ohne Rahmen und Raum. In Farbe das Auge versiegelt. Das Sehen bei sich.
Feb 11 2008 Die Überschreitung oder vom blinden Fatum einer Farbe
Zu Brigitte Waldach HEIMATFILM 2007
Eine Farbe. Nichts wo sie nicht ist. Nichts unterbricht sie grenzt sie aus. Schauen diese Farbe die nicht zu sehen und zugleich überall. Den Kopf gedreht und dann die Augen geschlossen. Sinnloses Unterfangen. Kein außerhalb von ihr. Keine Bewegung die hinausführt aber auch keine in ihr. Dauern sie unverändert als wäre nichts geschehen als geschähe nichts - nichts geschieht. Unhintergehbarer Sichtzustand: der Körper schaut und übersieht das Organ. Gegenstandsloser Farbrest vollkommener Ausbreitung. Ausgeliefert ihm wie dem Schmerz. Zu nahe um von einem Ereignis sprechen zu können das Außen und Innen trennte. Spricht dennoch. Spricht von diesem Zustand. Absurde Wortüberhöhung in der Präposition. In aber wäre nicht weniger falsch: hebt das was er sieht doch die ganze Wortgattung auf, so wie es zustößt, was es freilich genauso wenig tut. Sprechen unüberwindbares Parallelgeschehen. Selbstreflexive Dechiffrierungen referenzloser Codes und das Gehirn lässt Wahrnehmung daran teilhaben um etwas zu spiegeln, was ihm sonst entginge. Blindes Sehen in Dingeigenschaft lichtlos alles überzogen. Ein Teil in Gedächtnis in Ganzes gestülpt treibt Denken in endlose Wiederholung wo bildlos Ganzes doch endgültig zerstört.
Dez 23 2007 Von der Schwermut einer Maschine oder wie Natur nach ihrem Ende hervorgebracht
Heiner Goebbels eröffnet mit Stifters Dinge spielzeit’europa im Haus der Berliner Festspiele.
Starrer Takt bei Eintritt. Technisierter Herzschlag dem Raum unterlegt oder dem was in Schritten über Holz aus ihm getreten. Stimmen, aber die Wände hoch genug, dass sie nur beziehungsloser Bodensatz von etwas, das über ihnen sich abspielt. Vier kurze Zischausstöße gleicher Länge gleichen Abstands drei in Linie ein anderer von drüben. Akustische Zeichnung eines Buchstaben, denkt er, ein umgestürztes L etwa, ein zerbrochenes T. Klaviertöne gedämpft und von einer anderen Seite: die Stuhllehne zeigt ihm, dass das vorn. Töne zu sich selbst gespielt oder gesprochen. Verschränkt etwas von dem was geschieht. Für Sehende brennt Licht, lässt sie über/sehen, dass alles längst begonnen.
Nov 13 2007 Der ausgelassene Tanzplatz oder was im Hören imaginiert
Klangkunst im Wasserspeicher/Prenzlauer Berg. Teil 2: Die Geschichte
Ein Raum wie ein Tier an einem bestialischen Ort. Sie spricht und dass hier zum anderen Mauerring zu gelangen ihre Stimme aus der sich der Raum einen Oberton greift um darin zu schwingen und wieder verschwinden zu können. In Maschinenhallen gehaltener Motorenlärm von einer Sirene bei sich verstrafft, die ihn verlangsamt und herunterfährt. Kaltschwingender Stahlraum Gekicher das vorher bereits anderswo zu hören. Orientierungsversuche eines Blinden in labyrinthisch gemauertem Rund: handlang verstockte Gegenschläge Widergängern trotzend von vorne und von hinten. Den Stock gegen die Wand und klackernd die Backsteinfugen hoch ins Gewölbe gerollt von Mauervorsprüngen skandiert, die gegen ihn stoßen.