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„Ich habe einen geeigneten Ansatz gesucht, um meine Figuren weiterzuentwickeln. Vorlagen sollten her, um deren Flächen zu studieren. Vorlagen, weil ich das intuitive Figurenfinden bewusst einschränken wollte, um in der Form weiterzukommen. Ich wollte mich immer wieder auf eine bestimmte Position der Figur, ihre Haltung, ihren Ausdruck beziehen, um formal ihre Möglichkeiten zu untersuchen“, so die Malerin Simone Kill in einem Gespräch mit dem Autor dieses Buches und seiner Assistentin.
Geht man von der Berührung als einem für die Blinden zentralen Sinnesorgan aus, so hinterlässt der erste Blick auf die Kultur des alten Ägypten zunächst einen sprachlich vermittelten Eindruck der Unnahbarkeit , einen in jeder Hinsicht körperlich nicht erfahrbaren Eindruck für die, denen Bilder von dieser sehr am Monumentalen orientierten Kultur nur in Erzählungen zukommen. In Zeiten der Barrierefreiheit sind Blinde wie Sehbehinderte mit einer Kultur konfrontiert, deren Markenzeichen man als die bewusst aufgerichtete und immer weiter vervollkommnete Barriere bezeichnen könnte. Das wäre in der kolossalen Steinbauweise genauso wiederzuerkennen, wie in einer in Gänze auf das Königtum fixierten Kultur.
Der Ort gut gewählt: außerhalb der Biennale, außerhalb der Räume, der Kieswege, eine Wiese, hörbar davor das Wasser, hörbar die Boote, die es durchpflügen, hörbar die traghetti und ihr Schrappen an den Plattformen, wenn sie beim Anlegen manövrieren, der eine Motor dabei Gas gebend, dann der andere, um das Boot in Richtung der hölzernen Landeplattformen zu bringen. Der Promenade am Kanal entlang das Schwappen des Meeres in der Lagune zu hören, das die Boote in Wellen an das Ufer treibt. Die Ohren bekommen so ein Objekt einer Ausstellung vorgestellt, das in realer Gestalt gar nicht auftaucht: die amerikanische Bildhauerin Carole A. Feuerman lässt das Wasser als Imagination in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen, spielt mit ihm in ihrer Einbildungskraft.
Im Rahmen der Ausstellung Der Luthereffekt arbeitete der Fotograf Karsten Hein mehrere Wochen für das DHM in Tansania, um die Lebendigkeit protestantischer Gläubigkeit in der zweitgrößten evangelisch-lutherischen Kirche der Welt zu dokumentieren. In mehreren Serien von Fotografien stellt sich eine Gläubigkeit dar, die der Praxis hiesigen Protestantismus auf den ersten Blick fern zu sein scheint. Trägt die tansanische Glaubenspraxis doch vor allem Züge evangelikaler Erweckungs- oder Pfingstkirchen, wie sie jedoch auch in Europa mehr und mehr um sich greifen und das auch in Deutschland.
Jun 22 2017
„Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.“
Medea von Aribert Reimann an der Komischen Oper in Berlin
Das Heiligtum ihrer Heimat wie ihren Vater verratend, den Tod ihres Bruders in Kauf nehmend, unterstützt Medea den Griechen Jason, in den sie sich verliebt hat, um das Kernstück des heimischen Heiligtums in Kolchis, ein zaubermächtiges Widderfell aus Gold zu rauben. Nicht ganz den Auftrag erfüllt, den Apoll in Delphi erteilt hatte, landen die beiden mit ihren Kindern in Korinth, wo die Zauberin in der Bevölkerung starkes Misstrauen erregt. Um sich zu integrieren sucht die ehemalige Priesterin sich der griechischen Gesellschaft unterzuordnen wie es ihr Mann Jason von ihr erwartet, sehr zum Missfallen ihrer Amme, die Zeugin wird, wie Medea ihre Zauberutensilien vergräbt, um damit ihre Vergangenheit vergessen zu machen.
Unverstelltes Gehen, blindes Bewegen. Der Boden gaukelt sein Tanzen vor. Unter den Füßen die Wiese so weich als wolle sie im nächsten Moment ganz wegsinken. Zunächst kaum ein Raum, der Werken einen Ort zuteilte und wenn doch: als Baustelle ist das Innere eines Hauses in Material zu seinen Bestandteilen zerlegt. Mauern werden so von Werken, die sich um sie sammeln zu Trägern von Kunst erklärt, die diese Gebäude in ein vollkommen anderes Licht tauchen, indem sie die Funktion von Mauern nach außen stülpen, wie Handschuhe ihr Innenfutter nach außen kehren können. Gebäude als Träger, deren Tragfähigkeit von der Leichtigkeit eines Bildes aufgebrochen wird.
Mai 3 2017
Schaum und Erscheinung
Peer Gynt von Hendrik Ibsen Inszenierung Philipp Preuss am Schauspiel Leipzig
Bei der Bühnenbegehung für Blinde und Sehbehinderte werden der schwarze Kubus und andere Requisiten von der Dramaturgin Christin Ihle vorgestellt und Verblüffung löst das Theaterrequisit in der Berührung durchaus aus, besteht dieser Monolith bei Kubrick doch aus einem auf der Erde nicht vorkommenden Material. In der irdischen Inszenierung ist er aus sofort erkennbarem schnöden Gummi. Aus Gummi sind auch Gesichtsmasken wie Hände von Affen, die natürlich auch sofort an Kubricks Meisterwerk erinnern. Und dann ist da etwas, was in der Berührung auch noch irritiert: die Haut von Affenwesen und die „Haut“ des Kubus bestehen aus dem selben Material, einem Material also, das als Masken lebender Wesen fungiert. Dem blinden Autor drängt sich intuitiv eine Gleichsetzung von organischer Haut und der „Haut“ des Kubus auf, die Gleichsetzung des Kubus mit einem lebendigem Wesen, und wer sich den Film ins Gedächtnis ruft, wird diese Gleichsetzung naheliegend finden, obschon Kubricks Film nichts in dieser Richtung beantwortet.
Dass am Anfang das Wort war, wie wir im Johannesevangelium lesen, trifft auf das Bild nicht nur insofern zu, als sowohl seine visuelle Erscheinung als auch sein Aufkommen als inneres Bild nicht ohne das Wort kommunizierbar wäre, dass es für die Abbildung, Beschreibung und Reproduktion oder für die Darstellung von welchen Gegenständen, Wesen oder Vorkommnissen auch immer grundlegend ist. Verschärft ließe sich sagen, dass das Ineinander von Wort und Bild das entscheidende Moment menschlichen Sehens ist, dass und noch weiter zugespitzt gesagt, ohne Wort menschliches Sehen gar nicht möglich wäre.
Feb 16 2017
Episoden im Gebrochenen
Über den Film Ich sehe was, was du nicht siehst von Vivien Hartmann mit Jan Meuel
Wie ein jeder Blick das Gesehene immer vollkommen anders sieht und letztlich allein die Sprache Kommunikation über das Gesehene möglich macht, überhaupt nur sie bestätigen kann, dass Menschen das gleiche sehen, hält das Bild in Fotografie und Film eine Möglichkeit und Form des Gedächtnisses bereit, das im Gespräch eine vergleichende Ausdeutung über diese Art des Ausschlusses des Realen erzwingt.
Dez 11 2016
Bilder vom Rand des Bildes
Reflektionen zum Dokumentarfilm Shot in the Dark vom Frank Amann
Dunkel und aus dem Dunkel heraus Schritte, schnelle Schritte, als wollte da jemand schnell aus dem Dunkel herauskommen. Im Sound-Hintergrund Krähen, später werden sie hinter Pete Eckerts Haus auftauchen und Pete Eckert wird mit einer Bluesharp mit ihnen zu kommunizieren suchen.