Hat Walvater wirklich die Schnauze voll
oder Gott, Patriarchat, Kapital und die Nazis
Elfriede Jelineks Rein Gold an der Staatsoper im Schillertheater in Berlin
Der erste Satz bereits das ganze Programm: „Ich versuche also zu präzisieren […].“ Ein Versuch, den Ring des Nibelungen von Richard Wagner auf wenige Punkte zu fokussieren, ein Bühnenessay, der als Paralleloper wie ein Kommentar, als Unterbrechung, als Brennglas wirkt. Was zum Vorschein kommt: eine Analyse aktueller ökonomischer und gesellschaftlicher Verhältnisse im kritisch-satirischen Blick einer Revue. Ein Brennglas, das den vom Gott verursachten Weltenbrand im sprachlichen Slapstick des Kalauers beleuchtet um dabei auch mittels elektronischer und kompositorischer Bearbeitung zu einer etwas anderen Analyse der Wagnerschen Tetralogie zu kommen.
Grundstruktur des Ganzen gibt der letzte Dialog zwischen Wotan und seiner Lieblingstochter Brünnhilde ab, bevor sie als Strafe für ihren Ungehorsam, ihrer Göttlichkeit beraubt, endgültig von ihm verstoßen werden soll.
Der erste Anfang eine Ansage; erste Präzisierung: „Rein Gold ohne H.“ und dass das Brünnhilde sage, wo die Texte des Essays vorgelesen werden und der Vorleser der Rolle der Brünnhilde ein Mann ist. „Ich versuche also zu präzisieren […]. Also. Papa hat sich diese Burg bauen lassen und jetzt kann er den Kredit nicht zurückzahlen.“ „Eine Situation wie in einer jeden zweiten Familie.“ „Die Dings, die Fricka, die Gattin,“ „das ist aber auch schon alles, was sie ist.“ Immer wieder Kommentare hinein in die Dialoge, hier von einer Frau vorgetragen, immer wieder Unterbrechungen, Brüche in Text und Musik.
„Ich war auch froh, dass du nicht mehr so oft aushäusig sein würdest, Papa.“ Die höchsten Gestalten des Götterhimmels als spießige Kleinbürgerfamilie mit Papa-Mama-Kind, immer auch ganz ödipal gedacht mit Brünnhilde als Papas Liebling.
Dass alles scheitern würde und scheitern müsse, von Anbeginn ist es aus der Musik herauszuhören: nach der Ansage „Vorspiel“ ein Bläsercluster, der in ein Geflirr von Violinen mündet, beendet von einer Kreiselbewegung anderer Streicher die das auf der Bühne sitzende Orchester mit einem Tutti schroff beendet. „Siegfried, sieh meine Angst!“ singt die Sängerin der Brünnhilde, Rebecca Teem, von einem peitschenartigen Knall ihr Gesang abgerissen, dem erneut ein Bläsercluster folgt. Jetzt erst wird das Saallicht gelöscht und wie in einem breiten Spotlight bleiben die Stühle der drei Sprechstimmen im Vordergrund, von denen einer der Rollstuhl von Sebastian Rudolph ist, der aufgrund eines Bühnenunfalles vom Rollstuhl aus sprechen muss.
Immer wieder wird der Fluss der Musik durch das Knallen oder Schlagen einer Art Peitsche unterbrochen bis ein idyllisches Orchesterstück hinführt zu Wagners Walhallmotiv, dem Traum des Wotan, für Jelinek der Traum vom Eigenheim, von der über Schulden finanzierten Ware. „Fehler. Wir haben die Opfer nicht bedacht. Aber das Eigenheim hat gelockt.“ Mit dieser Lockung erscheint in der Musik das Motiv der Jagd, der Verfolgung aus dem Vorspiel des ersten Aktes der Walküre: der Wälsung Sigmund auf der Flucht, ein musikalisches Bild im Zusammenhang des Essays für das Gejagtsein durch Ware und Geld, mit dem Auftreten der lasziven Rheintöchter und ihrer magischen Anrufung des Rheingold obendrein verbunden mit dem Eros. „Das Eigenheim hat gelockt, und was ist gekommen? Tausende von seltsamen Kreaturen, die alle Ansprüche stellen. Jeder der Ansprüche stellt wird gleichzeitig deren Knecht. Auch ein Gott wird Knecht.“ Zwischendurch das Gehämmer der Metallverarbeitung, zunächst rhythmisch und in geordnetem Takt, dann aber ins Chaotische fallend. Bild unbändiger Kraft des Proletariats, allerdings unkontrolliert und weit entfernt von jeglicher koordinierten Aktion. Den Ring aus dem Gold, der die Weltherrschaft garantiert, den kann der Gott nicht schmieden, das müssen ihm die Zwerge besorgen. Aber grob erst einmal kurz die ganze Geschichte, bevor Jelineks Essay in sie hereinbricht.
Wagners Tetralogie beginnt mit einem Diebstahl: der Zwerg Alberich, auf der Suche nach erotischen Abenteuern, versucht die Töchter des Rhein anzubaggern, die nur Hohn und Spott für ihn übrig haben. In einer magisch anmutenden Szene beginnt das Gold zu glänzen, das zu bewachen ihnen von ihrem Vater aufgetragen wurde. Neugierig ob des Glanzes, will der Zwerg wissen, was es mit dem Schauspiel für eine Bewandtnis habe und die drei Frauen erzählen ihm von dem Gold, das zu einem Ring geschmiedet, unermessliche Macht verleihe. Eine Bedingung hierfür aber sei, dass der Schmied sich allen Eros entsagen müsse. Alberich nimmt die Bürde auf sich und stiehlt den Rheintöchtern das Gold.
Göttervater Wotan wiederum hat bei zwei Riesen den Bau einer Götterburg in Auftrag gegeben, wo nicht nur die Götter eine Bleibe finden sollten, wo auch die in den Schlachten gefallenen Helden unterkommen sollen und Schlachten und Tote gibt es genug. Als Lohn für ihre Bauarbeiten versprach Wotan den Riesen Freia, die Göttin der Jugend, die die Götter selbst mit jugendspendenden Äpfeln versorgt. Die Burg ist fertig und die Riesen versuchen sich ihren Lohn zu nehmen, Freia aber flüchtet sich zu ihrer Schwester Frigga und deren Mann Wotan. Zu spät erkennt der den Fehler, sich auf diesen Preis eingelassen zu haben, ihn zu zahlen bedeutete auf Dauer den Untergang des Göttergeschlechtes. Nach Verhandlungen einigt man sich, Freia gehen zu lassen, dafür aber den Riesen den mittlerweile geschmiedeten Ring des Nibelungen Alberich zu geben und Wotan und der listige Gott Loge machen sich auf den Weg den Ring zu rauben. „Ich weiß Papa, du willst den Kuchen essen und gleichzeitig behalten, und das gelingt dir auch noch. Du Gieriger.“ „Du Fressgott.“
Im weiteren Verlauf wird das Motiv der Götterburg wiederholt aber so, dass es mehr und mehr verkrüppelt erscheint, fragmentiert, zerbrochen, Buchstaben im Text fehlend, Töne in der Musik ausgespart, bis Wotans Gesang in einem Hustenanfall endet, einem Hustenanfall, von dem nicht klar herauszuhören ist, ob es nicht Gelächter sei, Gelächter des Gottes über sich selbst.
Dann Pause für das Orchester, die Sängerin auf dem Sofa liegend singt somnambul den Ton-Steine-Scherben-Song Keine Macht für niemand: „Ich bin nicht frei und kann nur wählen, welche Diebe mich bestehlen, welche Mörder mir befehlen […].“ Ein Abgesang auf die Revolution beginnt, vollzieht sich in einer Art Talkshow mit Publikumsbeteiligung, Warten auf den Helden, der die Massen hinter sich bringen wird und ein Testlauf für den Helden und seine Macht wird vom Schauspieler geübt, mit dem Publikum eingeübt: „Ich möchte dass Sie alle jetzt aufstehen, dann möchte ich, dass Sie sich wieder setzen.“ Und beträchtliche Teile des Publikums machen mit. Aber, wie es vorher bereits in einer Coverversion des Punksongs No More Heroes Anymore , vorgetragen im Belcanto des Wotansängers, hieß, sollte die Zeit der Helden vorbei sein. Nur Brünnhilde träumt noch von dem Helden, der sie aus der Verbannung wachküssen solle, ganz auch dies im Kalkül des Göttervaters, der auf den in seinem Willen freien Menschen hofft, wozu es aber nicht kommen wird: einen vom Willen des Schöpfergottes freien Menschen kann es nicht geben.
In der Zwischenzeit wird die Teilnehmerzahl einer Demonstration seitens der Veranstalter durchgegeben, die von der Angabe der Polizei differiert, dass das aber alles überflüssig ist „wie die Überflüssigen alle überflüssig sind“ und freilich kann man das auch als Überflüssigkeit der spaßigen Berliner Politcombo sehen, die unter dem Logo Die Überflüssigen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse und deren zunehmende Gewalttätigkeit - etwa im Bereich der Gentrifizierung - mit kritischen Eventaktiönchen würzt, deren Wirkmächtigkeit hin zu einer tatsächlichen Veränderung der Verhältnisse doch mehr als fraglich erscheinen muss.
Wotan fährt das Wohnmobil herein, in welchem die Leichen der beiden NSU-Mörder tot aufgefunden werden würden. Das ganze Wohnmobil ausgebrannt und nicht wenige sind der Ansicht, Aussagen der Feuerwehrleute im Zschäpe-Prozess unterstreichen dies, dass die Geheimdienste an der Erschießung von Mundlos und Böhnhardt beteiligt waren, sie vollstreckt haben, um die Beteiligung der Geheimdienste an den Morden die die Faschisten begangen haben zu vertuschen. Das Auftauchen des Rosaroten Panters auf der Bühne lässt vor allem das Liedchen der Zeichentrickfigur in Plüsch in Erinnerung kommen. „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.“ Wie grausig zutreffend diese Ankündigung der Zeichentrickfigur in Plüsch ist, ist tagtäglich an den Attacken auf Réfugiés und an Anschlägen auf Heime für Geflüchtete zu sehen.
Jelineks Text hängt sich wörtlich an die Figuren der Wagneroper, verfolgt sie gleichsam, stürzt sie ins Materielle, oder genauer ins Materiale: da wird der Schein, zu dem Wotan seine Verträge zu schließen beliebt zum Geld-Schein und das macht wie nebenbei in all seinen Bezügen nicht nur die Funktion des Geldes deutlich, legt das Geld als Grundstruktur allen menschlichen Handelns im Kapitalismus frei, entkleidet die romantische Einfärbung von Glaube und Liebe ihres pseudohumanistischen Gewandes, legt die konservative Grundstruktur kleinfamilialen Denkens und ihrer durch und durch hierarchischen Ausgerichtetheit frei, ent-deckt all dies in der Nähe zu Rassismus und faschistischen Aktionen bis auf den heutigen Tag.
Die Handlung und ihren Fluss erdet die Doppeloper oder vielleicht besser Parallel-oper Elfriede Jelineks in Analogien und Metaphern, in denen sich die Figuren verdoppeln und spiegeln, damit Gott, den Kapitalismus, die bürgerliche Kleinfamilie und den Faschismus miteinander kurzschließend, so dass alles als die Voraussetzung des Naziterrors erscheint. Damit verweigert die Sprache ihre einfache Aufzeigefunktion, verweigert widerspruchsfreie Begriffe, schließt die verschiedenen Bedeutungen miteinander kurz, eröffnet Beziehungen und setzt die Bezüge miteinander gleich: der Faschismus ist nicht ohne eine Vorstellung von Gott denkbar, sei es in Anlehnung an das Deutschtum und das Führertum oder die Hierarchie. Der Faschismus ist nicht ohne Kapitalismus denkbar ist nicht ohne patriarchale Kleinfamilie denkbar.
Was wird da eigentlich gespielt oder wer spielt wem was vor. Die Staatskapelle, die dem Publikum mittels fahrbarem Podest auf den Leib rückt, eine Bewegung vollziehend, das augenlose Hören, als Entfremdungseffekt auf das "Schau genau hin!“. Die Oper tritt aus ihrer Aufführung heraus, sie verdoppelt sich nicht einfach zu einer Interpretierbarkeit neben anderen, sie wird ganz wörtlich zum Vehikel, einem Vehikel von Sprache, von Literatur, die Musik und Text aufbricht um aus ihm etwas herauszulassen, das vielleicht immer noch drinsteckt, vielleicht eigentlich drinsteckt.
Die Musik der Oper als das, was der Text nicht fasst, das, was an Stimmung mitschwingt, das Vorher des Textes, der in ihr zum Vorher der Sprache wird, aus der heraus der Text von der Musik geführt wird, das, wo heraus Bedeutung steigt wie aus einem Raum, der sie mit seiner Herkunft einfärbt, was in Motiven ankündigt oder zusammenfasst, was Zukunft und Geschehen ankündigt, sie in vorherigen Situationen rückblickend wiedererkennbar macht. Jelineks Text ist ein Abstract des Ringgeschehens und zugleich sein Kommentar, seine Perspektive ins Jetzt herein ist eine Übersetzung aus dem Mythischen ins Heute und zeigt die Grundstruktur von Gesellschaft, Ökonomie und Politik auf.
Wie Oper gerne als Gefühlshorizont gesehen wird, in welchem Musik den im Libretto mitschwingenden Gefühlen Ausdruck verleiht, zitiert Jelinek diese klischeehafte Operngrundstimmung am größten Opernwerk der Musikgeschichte um in ihrem Essay den Widerspruch, die Grundauseinandersetzung als Antagonismus kapitalistischer Ausbeutungsgesellschaft aufzubereiten, einem Antagonismus aber, dessen Feindschaften nicht mehr personifizierbar sind, nicht mehr lösbar erscheinen, dessen Schuldzuweisungen am Ende einfach mit Macht beendet werden: wer die Macht hat und das ist ein "Der", der lässt die weibliche Antagonistin einfach einschlafen um sie von einem Märchenprinz oder Märchenhelden dann wachküssen zu lassen, dem Helden, den sie sich auch wünscht.
Das Verhältnis Wotan-Brünnhilde ist nicht einfach ein Gleichnis, keine Analogie, es zeigt die Familie als Grundstruktur nicht nur des Patriarchates auf sondern des Kapitalismus überhaupt. Die Betitelung des allgewaltigen Göttervaters mit Papa wirkt wie ein Diminutiv und gerade in dieser Verharmlosung, dieser immer in der Anrede bereits mitschwingenden Nähe schwingt die Macht mit, die sich auch und gerade auf Basis von Gefühlen durchsetzt.
„Die Freisetzung von Arbeitskraft mittels Maschinerie“ und die Sprachspiele um dieses Wort, das den Vorgang metaphorisch bereits bei Marx umschreibt, kalauert bei Jelinek um einen Ernst herum, der so ironisiert umso bissiger hervortritt. “Die Maschine ersetzt eine Anzahl von erwachsenen Beschäftigten durch eine noch größere Anzahl von Bedürftigen, die jetzt nichts mehr zu tun haben. Sie sind nicht einmal mehr das Ersatzheer, das Ersatzheer, sie sind nur entsetzt, dass sie nichts mehr sind und nichts mehr gelten und dass sie kein Geld haben.“
"Die denken alle nicht, aber irgendwer lenkt sie. Sagt ihnen, was zu tun ist. Viele schaffen, einer schafft an. Ich weiß schon: du nicht, Papa! [….] Du willst das einsacken, was deine Menschheitsmaschine rausgeschmissen hat. Du willst deine Schuld nicht bezahlen und sagst auch noch, andre seien schuld. Du nicht. Immer andere, du machst Schulden, aber bestrafst die Schuld, die dann andere haben. Du machst, was du willst. Du willst von allem den Profit einstecken, nachdem die einen durch die anderen ersetzt worden sind, Männer durch Frauen, Frauen durch Männer, Kinder durch Geräte, aus denen ihre Stimmen dringen, egal, jedenfalls bis keiner mehr weiß, wohin er gehört, sich aber keine Sorgen macht, denn es wird ihm schon gesagt werden. Und du glaubst, dann weiß auch niemand mehr, wem du was schuldest!"
Freilich schuldet der Kapitalist der freien LohnarbeiterIn in ihrem frei ausgehandelten Arbeitsvertrag nichts, denn der besagt, dass nur Arbeit in bestimmten Zeitpaketen oder abzuliefernden Werkstücken entlohnt wird. Den Mehr-Wert sackt dann der ein, der die Arbeitskraft gekauft hat. In dieser Marxschen Theorie des Kapital tauchen dann auch Theorien darüber auf, wie über den Begriff des Warenfetischismus die Verhältnisse des Kapitals verschleiert werden. Jelinek spielt darauf an: „Die denken alle nicht aber etwas lenkt sie." Da spricht aus Jelinek die Marxistin, die den Ring in eine Art Brechtsches Lehrstück umbaut, nur dass da recht poststruktural, die Sprache keinerlei Aufklärungsfunktion im klassischen Sinne mehr hat, da sie zur Erhellung selbst zertrümmert wird und mit ihr und durch sie auch gleich die ganze Oper inklusive der Musik.
In der Musik wird der Fluss immer wieder unterbrochen, gerade im Vorspiel, genauer das ganze Vorspiel selbst wird immer wieder unterbrochen, damit wird der Mythos oder seine Ganzheit unterbunden, wird er in gewisser Weise entmystifiziert und diese Entmystifizierung bringt Gespenster hervor, oder lässt sie herein, lässt das zu, was sich auf ihn berief obgleich die Wörtlichkeit des Wagnerschen Operngeschehens letztlich aller dumpfen Martialik ganz wörtlich den Untergang bereitet.
Die Jelinekinszenierung von Nicolas Stemann und ihre musikalische Aufbereitung durch Markus Poschner nimmt sich Teile der Tetralogie heraus, allen voran natürlich den Walküreritt, so herausgerissen erscheinen die Themenfragmente einerseits als bloße Erinnerungen der Leitmotive und damit als Klischees von Gedankengebäuden, aber auch von Handlungsgebäuden, die nur in Versatzstücken in die postmoderne Dramaturgie hereinfinden. Durch die Fragmentierung wird all dies zu zitierbarem Material, herausgerissen aus seinem Nimbus und Mythos oder Pseudomythos, der für die Nazis so brauchbar war: einer Art Einübung in den Tod, und mit dieser beginnt der dritte Akt der Walküre, wo die Hyänen (Pierre Boulez) das Schlachtfeld nach brauchbaren Helden für das Heer des Walvater absuchen.
Die Leitmotivtechnik wird, losgelöst von Figuren oder personifizierten Ereignissen, Dingen oder Sachverhalten der Opernabschnitte, übernommen, erhält aber im anderen Kontext des Essays eine andere Bedeutung. Das Vorspiel der Walküre wird in einem kapitalismuskritischen Text zum triebhaften Streben nach Profit oder hier: zur Jagd nach Gold.
Mit der Elektronik von Thomas Kürstner und Sebastian Vogel erfährt das Leitmotiv eine Verrspiegelung, die es selbst noch bearbeitbar macht, etwa wenn das Walhallmotiv zerbrochen, fragmentiert wird. Nicht nur wird das Motiv austauschbar ohne dass seine Wiederholung eingebunden werden müsste in welche Art von Kontext auch immer, es wird zum Überblendungsmaterial und lässt so eine weitere Abstraktion zu, verabschiedet den musikalischen Kontext, macht es zu einem Klischee, und nähert seinen Gebrauch der Programmmusik und der Filmmusik an. Diese scheinbare Banalisierung dient vor allem der weiteren Emanzipation des Textes vom musikalischen Geschehen, nähert das ganze Werk der Filmkunst an ohne auf dessen Bilder setzen zu müssen.
Da geht etwa die Elektronik zu tumbem Gewummer im Rhythmus eines Herzschlages über, der sich selbst überholt. Dazu der Text: „Und derweil dehnt sich das Kapital aus, dehnt sich das Schloss aus, alles dehnt sich aus letztlich wächst alles immer, es wird immer mehr […]. Eigentum ist Diebstahl und am Ende gibt es nur noch Diebe […] durch das Geld fallen alle […] das Geld fällt sie alle. Alles ist wie das Geld […].“
1982 tauchte mit den The Stranglers der Punksong No More Heroes Anymore auf und er tauchte in einer Zeit auf, als die Berliner Politszene begann, kritisch über ihre als mackerhaft empfundene Straßenmilitanz nachzudenken. Und was kam dann? Man ging dazu über, bei den Herrschenden um die Legalisierung der Reste der ehemals besetzten Häuser zu betteln. Und jetzt?